Wort zum Monat Juni 2006

Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!

(Galater 5, 1)

„Freiheit" - und dazu noch als Wort der Kirche. Da geht es mir gleich besser. Endlich mal ein einladendes, zukunftsoffenes, positiv besetztes Wort, denke ich mir. Aber: war da nicht ein seltsames Räuspern am vergangenen Sonntag in „meiner" Kirche, als ich in der Konfirmationspredigt die jungen Leute einlud, „Kirche als Ort der Freiheit" auszuprobieren? Viele Evangelische können „Freiheit und Kirche" nicht so gut zusammendenken. Oft aus gutem Grund.

„Ach was, Sie wollen ausgerechnet in unserer Kirche heiraten? Ist die Ihre nicht schön?" - „Ihr Mann ist aus der Kirche ausgetreten? Ja, da kann ich nichts für Sie tun." - „ Was, du willst in der Nachbargemeinde konfirmiert werden?" - „Leider ist unser Büro nicht besetzt!" Immer wieder haben Menschen nicht ganz unrecht, wenn sie Kirche und Freiheit nicht so einfach miteinander verbinden können.

Ich halte einen Moment inne. Woher kommt diese Gemengelage eigentlich? Warum ist der Iststand immer wieder nicht befriedigend? Müsste nicht aus den Worten des Apostels Paulus ein anderer Zugang für Menschen zum Thema "Freiheit und Kirche" möglich sein?

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auferlegen!" Man kann sich in Ordnungen gut einrichten. Sie verleihen Sicherheit. Man kann mit Traditionen behaglich leben. Sie gewähren Beständigkeit. Aber sie werden durchaus auch hohl, sind vielleicht nicht mehr zeitgemäß, werden dann und wann nur um des Bewahrens willen überliefert.

„Freiheit" ist und bleibt ein ambivalentes Wort. Faszinierend auf der einen und verunsichernd auf der anderen Seite. Freiheit wird heutzutage leider auch erlebt als hemmungslos gelebter Egoismus, als gedankenlose Pflege von Einzelinteressen. Dann werden das Wort „Freiheit" und seine Chancen missbraucht und zweckentfremdet. Dennoch: Wir werden als Christinnen und Christen eine gewisse Gratwanderung bestehen müssen. Zwischen sinnentleerten Bräuchen, Formeln und Formen einerseits und grenzenlosem Individualismus andererseits.

Ich lade dazu ein, mutig und befreit durch den Geist Jesu Christi der „Freiheit" eine Chance zu geben. Es lohnt sich auch in der Kirche, Bürokratie abzubauen, Unfreundlichkeit zu verhindern, Liebenswürdiglichkeit zu praktizieren und Jesu öffnenden Geist wirken zu lassen.
Pfr. Dr. theol. Jürgen Habermann





Dr. theol. Jürgen Habermann
Pfarrer in Ingolstadt

Homepage: www.khg-ingolstadt.de


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