Der schmale Kontoauszug
war wie immer ehrlich. Von der ebenso schmalen Rente war kaum etwas übrig
geblieben in diesem Monat. Aber den Eindruck, bei dem unterkühlten Spiel
auf dem Papier von Belastungen und Gutschriften nicht dabeigewesen zu sein,
noch nicht einmal zum Mitspielen aufgefordert gewesen zu sein, wird man nicht
los - die spielen ohne einen. Soll und Haben führen einen Stellungskrieg
im Gebiet des Soll - aber so klagt ja jeder, also ist es nichts
Ungewöhnliches oder gar Erwähnenswertes. Trotzdem. Nach der Wut
kommt die Traurigkeit über das Spielergebnis. Schließlich ist
bald Weihnachten, und Johanna wünschte sich so sehr ein neues Paar Schuhe,
in denen ihr das viele Stehen und Gehen nicht so schwer fällt. Und dann
war da noch dieser schwere blaue Wollmantel, an dem sie jedes Mal, wenn die
beiden durch die Stadt kamen, irgendwie noch einmal vorbeigehen mußte.
Das sollte niemand wissen und irgendetwas furchtbar Wichtiges gab es in der
Nähe dann doch noch zu machen. Das war eben einer der Träume, die
man vor großen, schönen Schaufenstern träumt - nur träumt.
Ihr kleines Gehalt, das sie mit den paar Stunden in der Woche verdiente,
reichte gerade als Ergänzung für Wohnung und Essen aus. Herr Kaddig
sah ein, daß es dieses Jahr eben auch ein schmales Weihnachten werden
müßte.
© M.B. 1997