Sankt Nikolaus
ist zweifellos der volkstümlichste Heilige der Weihnachtszeit. In der
Ostkirche, der armenischen, byzantinisch-griechischen und russisch-orthodoxen
Kirche ist er sogar der populärste Heilige überhaupt neben Maria.
Bereits im 6. Jahrhundert ließ Kaiser Justinian im zu Ehren in
Konstantinopel eine Kirche erbauen, die von Kaiser Basilius im 9. Jahrhundert
prachtvoll erneuert wurde.
Doch auch diesseits der Alpen wurden ihm in der Zeit vom 11. - 16. Jahrhundert
mehr als 2200 Kirchen geweiht.
Die historischen Nachrichten sind spärlich, doch um so reicher die Legenden,
die sich um seine Person ranken. Gesichert erscheint, daß er um 270
in der Hafenstadt Pakara in Lykien (Kleinasien) geboren wurde, und daß
man ihn wegen seiner Frömmigkeit und Mildtätigkeit zum Bischof
von Myra wählte. Während der Christenverfolgungen unter Diokletian
kam er ins Gefängnis, wurde jedoch unter Kaiser Konstantin wieder befreit.
Der 6. Dezember soll sein Sterbetag gewesen sein, und wie bei den Heiligen
üblich, gilt dieser Tag als sein Geburtstag in Gottes neuer Welt und
wird darum als Gedenktag begangen.
Im 6. Jahrhundert wurde der Sagenstoff zusätzlich angereichert durch
Verwechslung mit seinem Namensvetter Sankt Nikolaus Archimandrid aus dem
Kloster Sion bei Myra, dem späteren Bischof von Pimara.
Knecht Ruprecht
Er war ursprünglich der bärtige Begleiter
des Heiligen Nikolaus. Im Verlaufe der Jahrhunderte wurde er aber dem Nikolaus
bisweilen gleichgesetzt und schließlich zu einem selbständigen
Geschenkebringer.
Als Ruppknecht, Knecht Nikolas, Nickel, Hans Muff, Pelznickel oder
Pelzmärtel zog er in pelzbesetzter Kleidung von Tür zu Tür,
meist mit einer Rute in der Hand und mit einem Sack voller Geschenke über
der Schulter.
Seine Geschenkwerkstätten soll der heutige Nikolaus übrigens unbestätigten Gerüchten zufolge auf dem Nordpol haben. Oft kommt er mit einem Schlitten, der von Rentieren gezogen wird, und in den USA und in England kommt er durch den Schornstein gerauscht. Während in katholischen Gemeinden noch der Bischof Nikolaus im weißen Gewand und mit der Mitra behütet kommt, hat sich der "evangelische" Nikolaus doch sehr dem Weihnachtsmann angeglichen: Im roten Mantel und mit weißem Bart trägt er oft auch den Geschenkesack und die Rute seines Ruppknechts..
Mit vielen Bräuchen und Spezialitäten ist sein Name verbunden, so auch mit dem Südtiroler Fladenbrot, das Nikolausbrot genannt wird.
Hier noch eine Geschichte über den Nikolaus heute:
Also es gibt keinen Nikolaus...
Ich war sechs Jahre alt und sehr unglücklich.
Mißtrauisch geworden durch spöttisch überlegene Bemerkungen
älterer Schulkameraden, hatte ich meine Mutter soeben entschlossen und
ernsthaft befragt, was es eigentlich mit dem Nikolaus auf sich habe, dem
gestrengen Weißbart des sechsten Dezember mit Nagelstiefeln, Sack und
Rute, dem, der so merkwürdig viel von mir wußte und trotz peinlicher
Verhöre schließlich überraschend gütig zu sein pflegte.
Meine Mutter hatte erst ein wenig an mir vorbeigeblickt und dann, mit einem
kleinen Seufzer, stracks in meine Augen:
»Also, es gibt keinen Nikolaus... «
Ach, meistens war es mein Großvater gewesen, einmal sogar die junge
Frau aus dem Nachbarhaus, die ihre Stimme verstellt hatte.
Nicht alles, was man sieht, ist deshalb wirklich. Das erfuhr ich nun. Aber
auch das andere gilt: Nicht alles, was man nicht sieht, ist deshalb unwirklich.
Das Christkind nämlich, so vernahm ich bei dieser Gelegenheit auch noch,
gab es tatsächlich; nicht als weiß gekleidetes Flügelwesen,
aber als strahlendes Kind in armer Krippe, als Mann, der starb und auferstand,
als Herrn, der Menschen in Dienst nahm. Seine Geburt, sagte meine Mutter,
sei so real bedeutsam, daß sie den Anlaß für die Menschen
biete, im Gedenken daran einander Liebes zu erweisen.
Bis Weihnachten aber dauerte es noch einige Wochen, langsam vorübergehende
Wochen, wie ich aus Erfahrung wußte. Heute war Nikolaustag. Und es
gab keinen Nikolaus.
Wahrscheinlich war es einer der ersten Träume, von denen ich Abschied
nehmen mußte, und deshalb tat es so weh. »Warum belügt man
denn die Kinder mit so etwas? « fragte ich zornig.
»Ja,« antwortete meine Mutter, »man kann eigentlich nie genug
Gelegenheiten finden, liebevoll miteinander umzugehen und anderen eine Freude
zu machen. Und da Kinder von allem gern ein greifbares Bild haben möchten,
ist die Gestalt jenes kinderfreundlichen Bischofs Nikolaus zu unserem
Weihnachtsmann geworden, zum Gabenbringer. In jedem Jahr leiht er sein Aussehen
und seinen Namen allen denen, die Geschenke bin und her tragen und ein wenig
Herzklopfen und viel Freude hervorrufen.«
Damit kam ihr ein Gedanke.
»Hör mal,« sagte sie eifrig, »da du jetzt weißt,
worauf es eigentlich beim Nikolaus ankommt, - möchtest du nicht selbst
einmal ein wenig Nikolaus spielen und dahin und dorthin zu den Kindern
Äpfel und Nüsse und Backwerk bringen?«
Sie nannte ein paar Familien.
Das war der Trost, den ich brauchte.
Vermutlich sah ich dann am Abend sehr komisch aus mit Flachsbart, Kapuze
und schwerem Schuhzeug. Vor dem Spiegel im Hausflur probierte ich meine
würdige Ausstattung zusammen mit einer künstlich tiefen Stimme
und war gerade im Begriff, den recht vollen Sack zu schultern, als sich schwere
Schritte der Haustür von außen näherten. Ich ahnte nichts
Gutes. Tatsächlich! Herein stapfte nach kräftigem Anklopfen der
Nikolaus, groß, bärtig, streng, mit Nagelstiefeln, Sack und Rute.
Wir standen uns einigermaßen verblüfft gegenüber. Leise begannen
sich Bedenken bei mir anzumelden: Wenn es ihn nun doch gab...? Es wurde sehr
heiß unter meinem Flachsbart, und ich schaute vor dem durchbohrenden
Blick des gewaltigen Alten rasch zu Boden. Beklommen hörte ich seine
Frage nach dem Sohn des Hauses, nach mir...
Da legte meine Mutter ihre Hand wie von ungefähr an meine Schulter und
erklärte mit unbefangenster Stimme : »Ach, den triffst du leider
nicht an, großer Nikolaus! Wie schade, daß du umsonst gekommen
bist. Der kleine Nikolaus hier hat auch schon nach ihm gefragt.«
Ganz ins Spiel gerissen, hob ich meine Augen vorsichtig zum Gesicht des
Gestrengen. Sein Bart zuckte.
»Sieh mal an,« sagte er dann mit etwas schwankender Baßstimme,
»da bist du also auch unterwegs, kleiner Bruder. Gut, daß du mir
hilfst. Allein könnte ich es ja auch gar nicht schaffen.«
Und mit einem »Guten Abend ! « stapfte er hinaus.
Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloß gefallen, da mußte
ich zuerst einmal tief aufatmen. Dann besann ich mich, daß es wohl
doch nicht gut angehe, hinter dem großen Nikolaus her in die Häuser
zu kommen. Und obwohl ich nicht mehr ganz so mutig war wie zu Beginn des
Abends, entschloß ich mich, mein Vorhaben auf alle Fälle
auszuführen. Also ging ich mit meinem Sack in das nächtliche Dorf.
Die Prüfungen dieses Tages aber waren noch nicht zu Ende. Irgendwo im
Schein einer Straßenlaterne erspähten ein paar Halbwüchsige
den winzigen Nikolaus, und überzeugt, daß es ihn nicht gab, neckten
und hänselten sie ihn. Ja, sie versuchten mir sogar meinen Sack zu
entreißen. Ich machte mich los und floh; doch bald hatten sie mich
eingeholt. Ach, die Kapuze war voller Schnee, der Bart verrutscht und wenig
Würde mehr übrig. Verzweifelt drückte ich mich mit dem
Rücken an eine Hauswand, von der Meute umstellt, der Niederlage
gewiß.
Da aber stapfte einer um die Ecke, groß, bärtig, streng, mit
Nagelstiefeln, Sack und Rute. Die Rute hatte er hoch erhoben. Und nun traf
er in geübten Streichen die Rücken meiner Quäler.
»Schämt ihr euch nicht . . .?« Noch kann ich seine Stimme
hören, die mir auf einmal sehr bekannt vorkam.
Später hat sich unser junger Dorflehrer als jener Helfer in der Not
entpuppt.
Bis heute trägt mich nun in jedem Jahr am sechsten Dezember eine eigenartige
frohe Gewißheit.
Daß man Enttäuschungen am besten überwindet, indem man anderen
einen Dienst tut, und daß man in diesem Dienst nicht allein ist, -
ist das nicht eine tragfähige Erkenntnis?
Was aber den Nikolaus betrifft - ich bin seitdem
nicht mehr so sicher, daß es den Nikolaus wirklich nicht
gibt.