Daher wehte also der
Wind. Herr Kaddig war überrascht. Daß Herr Jansen so offen wurde
... ? Sie hatte sich ja nun schon oft gesehen, aber immer eher Wetter,
natürlich Geschenke. Überhaupt hätte er nie gedacht, daß
dieser wohlhabende, erfolgreiche junge Vater ausgerechnet in der Familie
Probleme haben könnte. Herr Kaddig mußte irgendwie jetzt etwas
sagen, etwas Verständnisvolles, Tröstendes, ... .
"Ja, verstehen Sie beide sich denn nicht mehr?" - Na ja ... - "Ach, verstehen.
Es läuft alles irgendwie so auseinander." Oh je, Hoffnungslosigkeit
machte sich breit. Alter Mann, junger Mann - das hatte man doch schon so
oft gesehen.
"Ich war vielleicht nicht älter als sechzehn oder siebzehn. Wir waren
aus der Stadt auf's Land gezogen. Neben unserem neuen Haus wohnte eine Familie,
wie wir, im gleichen Alter eben. Ich hatte schon meine Ausbildung bei der
Reichsbahn begonnen. Der nächste Ort hatte einen Bahnhof, von wo aus
ich früh morgens mit dem Zug in die Stadt zur Arbeit fuhr."
Herr Kaddig setzte sich ebenfalls gemütlich seufzend neben den jungen
Mann. "Ich mußte ganz schön weit laufen und kürzte
natürlich, so gut es ging, durch die Wiesen ab. Auf den Wegen dazwischen
fuhren die Bauern zum Melken raus. Und da kam es schon einmal vor, daß
mich ein Pferdewagen mit klappernden Milchkannen überholte. So früh
war sonst niemand auf den Beinen, und so lernten wir uns nach und nach kennen,
die Bauersleute und ich. Dann nahmen sie mich auf ihren Wagen ein Stück
mit, fast alle. Öfter hörte ich auch: 'He du, Stadtlümmel,
mach den Weg frei!' hinter mir krakeelen. Das war die Tochter des Bauern,
der seinen Hof neben uns hatte. Ich war nicht wirklich im Weg, aber sie
brüllte mich trotzdem jedes Mal an und fuhr dann so dicht und schnell
an mit vorbei, daß ich die großen Holzräder beinhahe
spüren konnte. Dieses verflixte Weibstück! - Man war ja nicht auf
den Kopf gefallen, Rache war angesagt. Am Abend vor ihrem Geburtstag hatte
sie Kuchen für den nächsten Tag gebacken - etwas Besonderes damals.
Anton, ein Freund von mir, klopfte vorn an der Haustür und fragte, ob
denn alle Hühner im Stall seien, er hätte welche in den Gärten
gesehen, worauf sie natürlich loslief..."
Herr Kaddig grinste schelmisch.
"... na ja, ich also rein und an den Kuchen, Zucker und Salz sind ja so schwer
auseinander zu halten, und oben drauf fehlte noch ein wenig Zucker.
Am nächsten Tag warteten die Gäste schon voller Lust auf den
berühmten Birnenkuchen - und den Anblick einer Köchin im Moment
ihrer Niederlage ..."
Der Weihnachtsmann lehnte sich genüßlich zurück.
"Und dann? Was dann...?" fragte der junge Mann ungeduldig.
"In den nächsten Tagen regnete es, und große Pfützen bildeten
sich in den Spuren auf den Feldwegen, und durch Pfützen preschen machte
Spaß. - So kam es wieder zurück!"
Herr Kaddig schloß hörbar hier seine Geschichte. "Ja und?" Der
junge Mann war leicht irritiert. "Na, bei Ihnen und Ihrer Frau ist es doch
wohl genauso. Nur Birnenkuchen und Pfützen - warum backen Sie ihr nicht
einfach einen Birnenkuchen? Vielleicht nimmt Sie sie dann auf ihrem Wagen
mit!"
© M.B. 1997