Herr Kaddig war
hochzufrieden mit sich. Er war sich sicher, der junge Mann hatte etwas von
seiner Geschichte mit nach hause genommen - er fühlte sich sehr gut
damit. Freute sich auf Dienstag, da würde er ihn wiedersehen. Doch
zunächst ...
"Ach Herrmann, dieses Hemd ist dir doch eigentlich zu eng, oder?" Johanna
war schon seit Tagen auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für
ihn. Hemden und Socken testete sie grundsätzlich zuerst an. - Obwohl
sie genau wußte, was er sich wünschte, ein Mann und seine Lokomotiven
- dieser schöne Fotoband ... . Aber diese Bücher waren nicht ganz
billig. Johanna machte sich fertig für ihre Arbeit und verließ
das Haus. Die gnädigen Herrschaften wollten heute vormittag Geschenke
einkaufen, und so war sie mit Tim und Lisa allein. Auch die Kinder waren
voller Weihnachtsfieber. Ihre Wunschzettel hatten sie schon längst
geschrieben und diskutierten eifrig, was der Weihnachtsmann ihnen wohl bringen
würde. Johanna kannte ihre vielen Fragen schon: Ob der Weihnachtsmann
denn weit weg wohne, und ob er sie auch nicht vergessen würde, und ob
sie brav genug gewesen seien, und ob Mama und Papa in diesem Jahr keine Geschenke
von ihm kriegen würden ... - das war neu.
Es zog sie in den Schnee.
Der Weihnachtsmann hatte heute alle Hände voll zu tun. Es war Samstag,
nur noch zehn Tage bis zum großen Fest. Die Plüschrentiere gingen
heute weg wie nichts, der große Geschenkesack war fast leer - mehr
als zwanzig Kinder dürften heute nicht mehr kommen, sonst stünde
er mit leeren Händen da, zum ersten Mal. Was würde wohl Herr Pfennig
dazu sagen? Kaufen und Herz waren ja schön und gut, aber würde
er auch den finanziellen Zusatzaufwand in Kauf nehmen? Der Weihnachtsmann
war sich nicht so sicher...
Da, um Himmels willen - eine Gruppe Kindergeburtstag, klar, die wollten hier
ins Kino. Eins, zwei, drei - ganz viele! Und da hatten sie ihn entdeckt.
"Nikolaus!" "Weihnachtsmann!" "Ich war auch immer lieb!"
Der Weihnachtsmann suchte alle Ecken in seinem Sack noch einmal ab. Er war
leer. Die Hände des kleinen Junge vor ihm auch. Alle hatten noch etwas
abbekommen, nur er nicht. Das war das Ende der Routine - Neuland. "Warte
einen Augenblick, mein Junge, der Weihnachtsmann muß kurz mit dem Knecht
Ruprecht sprechen und neue Geschenke besorgen!" Von seiner eigenen
Geistesgegenwart überrascht hastete er Richtung Verwaltung. Die
Sekretärin stellte ihm morgens immer den Sack schon hin.
Geschlossen. Natürlich, es war ja Samstag. Was nun? Wo sollte er für
die letzten zwei Stunden und den kleinen Jungen die Sachen hernehmen? Einer
der Händler hatte wohl sein Malheur beobachtet, auf jeden Fall rief
er ihm hinterher: "Herr Kaddig, Herr Kaddig!" Es war Schmidt, von der Apotheke.
Der Weihnachtsmann erläuterte schnell sein Problem. "Aber ich habe doch
keine Spielsachen, Hustenbonbons vielleicht, oder Kopfschmerztabletten -
aber für die Kinder? Ich sah nur, wie sie zum Pfennig hochwollten, und
der ist ja nicht da!"
Man überlegte kurz. Der kleine Junge jedenfalls bekam, wie alle anderen
später auch, eine Kinderzahncremeprobentube und ein Zahnpflegekaugummi.
"Fröhliche Weihnacht, mein Kind, und denke an deine Zähne!" Das
war doch einmal etwas anderes als Schokolade.
© M.B. 1997